Für GenX ist es ein verdammt guter 80er-Videoabend mit den Kumpels – viel Popcorn, Bier, ein Sofa und ein Hauch von Rebellion, der (wieder) in der Luft liegt. Genau wie damals reicht eine VHS und eine Couch für die Bestätigung der alten Wahrheit: The 80s ruled. Punkt.
Für GenZ ist es ein „toxischer“ Filmabend – mit Triggerwarnung auf dem Popcornbecher, Tränen in den Insta-Stories, dramatischen TikTok-Kommentaren in Echtzeit und endlosen Diskursen darüber, warum man einen 40 Jahre alten Film nicht einfach mal laufen lassen darf.
Ich bin mit Filmen wie The Breakfast Club, Weird Science, Red Dawn, und Revenge of the Nerds aufgewachsen. Diese Streifen liefen damals im Kino, auf VHS, im TV – sie waren Teil unseres Alltags und Gesprächsthema auf jedem Schulhof. Wir kannten die Dialoge auswendig, imitierten die Figuren. Sie haben uns zum Lachen gebracht, zum Nachdenken angeregt, zum Träumen verleitet – und ja, sie waren auch manchmal etwas daneben. Aber toxisch? Dieses Wort hätte uns damals nicht mal im Entferntesten eingefallen. Für uns war das Unterhaltung, ein Spiegel unserer Zeit, unserer Unsicherheiten, Träume und Konflikte. Und das sollte man auch heute noch berücksichtigen, bevor man mit dem moralischen Finger auf vergangene Popkultur zeigt.
In den 80ern waren diese Filme für uns weit mehr als bloße Unterhaltung – sie waren Gesprächsthema, Stilvorbild, Soundtrack unseres Alltags und manchmal auch Trostspender in dunkleren Momenten. Wir haben uns über Klischees amüsiert, uns in schräge Figuren verliebt, mitgelitten, mitgeträumt – und dabei ganz selbstverständlich die Grenzen des Erlaubten ausgelotet. Nicht aus Provokation oder Böswilligkeit, sondern aus echtem Interesse, aus jugendlicher Neugier auf das Leben und seine Widersprüche.
Wenn ich heute mitbekomme, wie GenZ sich über diese – unsere(!) – Filme echauffiert, könnte ich vor Wut platzen und am liebsten würde ich ihnen direkt ins Gesicht sagen, wie lächerlich und überflüssig dieser ganze Aufstand ist! Alles ist plötzlich „problematisch“, „nicht mehr zeitgemäß“ oder gleich ein Fall für den digitalen Scheiterhaufen. Es scheint, als müsste jede Szene, jeder Dialog und jeder Charakter (inkl. der Schauspieler) heute einer politischen Reinheitsprüfung standhalten. Dabei vergessen viele, was Filme eigentlich sind: Produkte ihrer Zeit – keine perfekten Lehrstücke für Moral oder Ideologie. Sie spiegeln die Kultur, die Gesellschaft, das Lebensgefühl, den „Zeitgeist“ ihrer Entstehungszeit wider – mit allen Fehlern, aber auch mit ihrem Charme. Wenn wir beginnen, vergangene Werke nur mit heutigen Maßstäben zu messen, verlieren wir nicht nur den historischen Kontext, sondern auch die Möglichkeit, daraus wirklich etwas zu lernen.
Damals waren wir froh, überhaupt Geschichten – besonders über Jugendliche – zu sehen, bei denen am Ende nicht zwanghaft die moralische Keule geschwungen wurde. Da wurde nicht alles mit einem pädagogisch aufbereiteten Fazit versehen. Vieles blieb offen, ambivalent, unbequem – eben so, wie das echte Leben auch ist. Die Konflikte waren roh, die Charaktere ungeschliffen – genau das hat sie so authentisch und lebendig gemacht. Diese Filme haben uns gezeigt, dass es okay ist, Fehler zu machen, dass Rebellion manchmal dazugehört und dass nicht jede Geschichte ein moralisches Happy End braucht. Natürlich würde man heute bestimmte Dinge anders erzählen. Aber sie deswegen zu verdammen, sie aus dem kulturellen Gedächtnis zu streichen oder gar „canceln“ zu wollen, geht mir ehrlich gesagt zu weit. Wenn wir anfangen, alles aus der Vergangenheit nur noch durch die moralische Lupe von heute zu betrachten, machen wir Geschichte unkenntlich – und das kann nicht das Ziel sein.
Kunst – und dazu gehört auch Film – muss man immer im historischen Kontext betrachten. Jede kreative Arbeit ist ein Produkt ihrer Entstehungszeit und spiegelt deren Werte, Vorstellungen und blinde Flecken wider. Wer Indiana Jones and the Temple of Doom heute wegen kolonialer Darstellungen verbannen will, versteht weder Spielberg noch die 80er. Der Film war kein Aufruf zur weißen Vorherrschaft, sondern ein Abenteuerstreifen, der aus der Popkultur der damaligen Zeit schöpfte. Wer Heathers nicht als Satire erkennt, sondern als Aufruf zur Gewalt, hat den schwarzen Humor dieser Ära schlichtweg nicht verstanden.
Oft denke ich, dass manche Vertreter der GenZ aus einer alten 80er-Videothek am liebsten eine Ausstellung im Stil von „Entartete Kunst“ machen würden. Der Unterschied ist nur: Damals war es Zensur von oben, heute kommt sie scheinbar aus dem moralisch überhöhten Aktivismus heraus. Das macht es nicht weniger problematisch.
Ich sage nicht, dass es falsch ist, Filme und Inhalte zu hinterfragen, aber man sollte sie immer auch im Kontext des damaligen Lebensgefühls – des Zeitgeistes – sehen und verstehen, statt alles sofort durch die Zensurschere zu jagen. Vielleicht sollten wir statt vorschneller Urteile öfter mal innehalten und fragen: Was wollten diese Filme damals aussagen – und was können sie uns heute noch erzählen? Vielleicht ist genau das eine Lektion, die Gen Z von unserer Generation lernen könnte: Erst verstehen, dann urteilen – und dabei auch mal über die eigenen Maßstäbe hinausdenken.
Auch wir hatten Filme, die selbst für uns damals als krank und geschmacklos galten. Ich rede u.a. von den berüchtigten extremen Exploitation-Filmen. Titel wie Cannibal Holocaust, Zombi, die zahlreichen Nazi-ploitation-Streifen und natürlich Faces of Death. Aber wir wären nie auf die Idee gekommen, diese Filme zu verbieten.
Wer sich unbedingt durch grottenschlechte Storys, Schauspieler und Inszenierung quälen wollte – nur um viel Blood, Gore und Nudity zu sehen – bitte sehr. Doch die meisten merkten schnell, dass es sich nicht lohnt noch weitere Exploitation-Filme anzuschauen. Und so verschwand das Genre schnell wieder.
BTW: Trotzdem würde ich zu gern mal so einen Film mit GenZ schauen – nur um zu sehen, wie lange sie durchhalten …
Ich weiß, dass nicht alle aus der GenZ so denken, aber die, die es tun, tun es laut – sehr laut. So laut, dass Firmen, Medien und Streaming-Dienste mittlerweile oft (zu oft) sofort reagieren. Und zwar nicht erst nach reiflicher Prüfung, sondern reflexartig, als wäre jede Kritik ein drohender Shitstorm, den es um jeden Preis zu vermeiden gilt. In einer Art vorauseilendem Gehorsam werden Inhalte entfernt, Szenen geschnitten oder Formate abgesetzt – ohne wirklich zu hinterfragen, ob das notwendig oder sinnvoll ist. Alles nur, um einem potenziell schlechten Image zuvorzukommen, das vielleicht bei einzelnen Gruppen entstehen könnte. Ob die Kritik berechtigt ist oder nicht, spielt dabei kaum noch eine Rolle. Das Ganze wirkt oft wie blinder Aktionismus – nicht wie reflektiertes Handeln.
Und ehrlich: Vielleicht brauchen wir heute einfach nur mehr Toleranz für kulturelle Geschichte – besonders wenn sie Ecken und Kanten hat. Denn genau diese Ecken machen sie menschlich, machen sie echt. Es geht nicht darum, alles gutzuheißen, sondern zu verstehen, warum etwas so erzählt wurde, wie es eben erzählt wurde. Filme sind keine perfekten Moral-Lehrstücke, sondern Zeitkapseln. Und vielleicht wäre es an der Zeit, sie mit der Bereitschaft zur Einordnung im damaligen Zeitgeist zu sehen – statt mit der Schere in der Hand.
Ich greife jetzt einfach blind in die Kiste mit den alten VHS-Tapes und lasse mich überraschen, welcher Klassiker heute Abend wieder über den Bildschirm flimmert …
Hier noch ein paar Beispiele für
„Früher ein Kultfilm – Jetzt nur noch toxisch?“
- Friday the 13th (1980)
Was GenX sieht: Wegweisender Slasher-Film, der ein ganzes Horror-Genre prägte
Was GenZ sieht: Gewalt gegen Frauen, sexualisierte Opferrollen, wenig psychologische Tiefe - Blue Lagoon (1980)
Was GenX sieht: Exotisches Abenteuer über das Erwachsenwerden in der Wildnis, Sinnbild romantischer Unschuld
Was GenZ sieht: Sexualisierung Minderjähriger, fragwürdige Beziehungskonstellationen. - Porky’s (1981)
Was GenX sieht: Pubertäre Komödie mit Tabubruch-Charakter.
Was GenZ sieht: Voyeurismus, sexuelle Belästigung, Frauenfeindlichkeit. - The Cannonball Run (1981)
Was GenX sieht: Starbesetzte Autokomödie mit Slapstick und Action.
Was GenZ sieht: Sexistische Darstellung von Frauen, rassistische Karikaturen, Verherrlichung von Gesetzesverstößen - Excalibur (1981)
Was GenX sieht: Epische Nacherzählung der Artus-Saga mit opulenten Bildern und dramatischem Flair
Was GenZ sieht: Übersexualisierte Darstellung, veraltete Geschlechterrollen, Gewaltverherrlichung - Fast Times at Ridgemont High (1982)
Was GenX sieht: Freche Teenie-Komödie mit realistischen Coming-of-Age-Momenten und starkem 80s-Vibe.
Was GenZ sieht: Objektifizierung weiblicher Figuren, fragwürdiger Umgang mit Einwilligung, Sexismus. - Conan the Barbarian (1982)
Was GenX sieht: Episches Fantasy-Spektakel mit Arnold Schwarzenegger – rohe Kraft, klassische Heldenreise.
Was GenZ sieht: Gewaltverherrlichung, toxische Männlichkeitsbilder, Sexualisierung von Frauen. - First Blood (1982)
Was GenX sieht: Intensives Actiondrama mit Sozialkritik das den Actionhelden Rambo begründete
Was GenZ sieht: Gewaltverherrlichung, stereotype Darstellung von Polizei und Militär, glorifizierte Männlichkeitsbilder. - The Outsiders (1983)
Was GenX sieht: Authentisches Jugenddrama mit Tiefe, das Außenseiter und Gruppenzugehörigkeit thematisiert.
Was GenZ sieht: Gewalt unter Teenagern, stereotypische Männlichkeitsbilder. - Trading Places (1983)
Was GenX sieht: Gesellschafts- und Kapitalismuskritik im Comedy-Format
Was GenZ sieht: Blackface-Szene, rassistische und sexistische Tropen. - Scarface (1983)
Was GenX sieht: Kultklassiker des Gangstergenres mit ikonischen Zitaten und einem legendären Soundtrack
Was GenZ sieht: Glorifizierung von Gewalt, Machismo, stereotype Darstellung von Latinos. - National Lampoon’s Vacation (1983)
Was GenX sieht: chaotische Familienkomödie, die Urlaubsfrust herrlich bissig und überspitzt darstellt
Was GenZ sieht: Sexismus, stereotype Rollenbilder. - Revenge of the Nerds (1984)
Was GenX sieht: David-gegen-Goliath-Geschichte mit Nerds als Helden
Was GenZ sieht: sexuelle Nötigung, frauenfeindliche Darstellungen, Ethnostereotype - Indiana Jones and the Temple of Doom (1984)
Was GenX sieht: Abenteuerfilm mit Kultstatus.
Was GenZ sieht: Rassistische und kolonialistische Darstellungen von Kulturen - Bachelor Party (1984)
Was GenX sieht: Chaotische Komödie mit Tom Hanks, typisch für 80s-Partyfilme
Was GenZ sieht: Objektifizierung von Frauen, sexistische Gags - Red Dawn (1984)
Was GenX sieht: Patriotischer Actionfilm mit Teenagerhelden im Kampf gegen eine sowjetische Invasion
Was GenZ sieht: Kalter-Krieg-Propaganda, übersteigerter Nationalismus, rassifizierte Feindbilde - Romancing the Stone (1984)
Was GenX sieht: Romantisches Abenteuer mit Humor, exotischen Schauplätzen und selbstironischer Heldin
Was GenZ sieht: Klischeehafte Genderrollen, White-Male-Savior-Narrativ. - The Breakfast Club (1985)
Was GenX sieht: Coming-of-Age-Film, der Teenager-Probleme authentisch darstellt.
Was GenZ sieht: Klassismus, Sexismus, problematische romantische Dynamiken, Mobbing. - Weird Science (1985)
Was GenX sieht: Nerd/Geek-Fantasy mit Humor und Sci-Fi-Elementen.
Was GenZ sieht: Objektifizierung von Frauen, fragwürdige Moral. - Rambo: First Blood Part II (1985)
Was GenX sieht: Action-Ikone, Vietnam-Revanche-Fantasie.
Was GenZ sieht: Stereotype Darstellungen von Asiaten, Gewaltverherrlichung, US-Patriotismus. - Soul Man (1986)
Was GenX sieht: „Witzige“ Kritik am amerikanischen Rassismus und dem Stipendium Vergabe System
Was GenZ sieht: Hauptfigur macht Blackface, rassistisch und kulturell unsensibel. - Ferris Bueller’s Day Off (1986)
Was GenX sieht: Kultige Schulschwänzer-Komödie mit viel Charme, cleveren Dialogen und einem Hauch Anarchie
Was GenZ sieht: Ignoranz gegenüber Konsequenzen, toxisch charmante Männlichkeitsinszenierung - Three Amigos! (1986)
Was GenX sieht: Parodie auf Western mit Slapstick-Humor.
Was GenZ sieht: Kulturelle Aneignung, stereotypische Darstellung von Mexikanern. - Mannequin (1987)
Was GenX sieht: Romantische Komödie mit Fantasy-Elementen.
Was GenZ sieht: Objektivierung von Frauen, stereotype Darstellung von LGBTQ+-Charakteren. - Fatal Attraction (1987)
Was GenX sieht: Thriller mit Spannung und Kultstatus.
Was GenZ sieht: Stigmatisierung psychischer Erkrankungen, frauenfeindliche Narrative. - Dirty Dancing (1987)
Was GenX sieht: Romantisches Tanzdrama, mit unvergesslichem Soundtrack, Coming-of-Age-Flair, ikonischen Tanzszenen.
Was GenZ sieht: Machtungleichgewicht in der zentralen Liebesbeziehung, stereotype Rollenbilder. - Heathers (1988)
Was GenX sieht: Schwarzhumorige Satire auf das Highschool-Leben.
Was GenZ sieht: Gewaltverherrlichung, toxische Beziehungen, Umgang mit Suizid. - Coming to America (1988)
Was GenX sieht: Eine von Eddie Murphy’s besten Komödie
Was GenZ sieht: Klischeehafte Darstellung Afrikas, sexistische Inhalte. - Die Hard (1988)
Was GenX sieht: Genreprägender Actionfilm mit Bruce Willis als ironischem Antihelden
Was GenZ sieht: Übermäßige Gewalt, stereotype Schurkenfiguren - Dead Poets Society (1989)
Was GenX sieht: Den rebellischen Geist und die Inspiration durch Lehrerfiguren
Was GenZ sieht: Elitäre Privatschulumgebung und romantisierte Darstellung problematischer Beziehungen














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